Betriebsprüfungen der Deutschen Rentenversicherung führen immer wieder zu erheblichen Nachforderungen von Sozialversicherungsbeiträgen – insbesondere bei (Minderheits‑) Gesellschafter‑Geschäftsführern. Zwei aktuelle Entscheidungen des Bundesgerichtshofs (Urteil vom 8.2.2024 – IX ZR 137/22) und des Landgericht Stuttgart (Urteil vom 4.6.2025 -27 O 280/24) konkretisieren nun die Pflichten im Lohnbuchhaltungsmandat und die Schadensberechnung.

 

Welche Entscheidungen haben die Gerichte in ihren neuen Rechtsprechungen getroffen?

 

Bundesgerichtshof – Prüfungs- und Hinweispflichten des Lohnbuchhalters

Im Fall des BGH wurde eine GmbH gegründet mit drei Gesellschaftern zu gleichen Teilen, alle waren zugleich Geschäftsführer. Eine Sperrminorität war gesellschaftsrechtlich nicht vorgesehen. Die GmbH beauftragte eine Steuerberater-/Rechtsanwaltssozietät mit der Lohnbuchhaltung. Diese behandelte die Geschäftsführer als selbständig und führte keine Sozialversicherungsbeiträge ab.
Im Rahmen einer späteren DRV-Betriebsprüfung zeichnete sich eine Einstufung als sozialversicherungspflichtig ab. Daraufhin wurde der Gesellschaftsvertrag geändert, sodass Beschlüsse nur noch einstimmig möglich waren. Ab diesem Zeitpunkt akzeptierte die DRV die Sozialversicherungsfreiheit. Für die Vorjahre verlangte sie jedoch Nachzahlungen. Die GmbH nahm die Berater auf Feststellung der Ersatzpflicht in Anspruch.

Der Bundesgerichtshof stellt klar:

  • Das Lohnbuchhaltungsmandat umfasst grundsätzlich nicht die Pflicht, die Frage der Sozialversicherungspflicht eines Mitarbeiters eigenständig zu klären.
  • Gibt der Auftraggeber eine klare, verbindliche Vorgabe (z.B. nicht sozialversicherungspflichtig), darf der Lohnbuchhalter hierauf grundsätzlich aufbauen.
  • Ist die Statusfrage jedoch unklar oder zweifelhaft, muss der Lohnbuchhalter den Mandanten darauf hinweisen und auf die Möglichkeit eines Statusfeststellungsverfahrens nach § 7a SGB IV eines Verfahrens über die Einzugsstelle der Krankenkassen aufmerksam machen und eine Entscheidung des Mandanten zum weiteren Vorgehen einholen.

Konsequenz: Unterbleiben diese Hinweise, kann sich ein Haftungs- bzw. Regressrisiko gegen die Lohnbuchhaltung/den Berater ergeben.

 

Landgericht Stuttgart – Schadensbemessung und Rentenanwartschaften

Im Fall des Landgerichts Stuttgart wurde eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) nach einer Betriebsprüfung zur Nachzahlung von Sozialversicherungsbeiträgen für ihren Minderheitsgesellschafter‑Geschäftsführer verpflichtet und verlangte Ersatz von ihren Beratern.

Das Landgericht Stuttgart stellt fest:

  • Die Nachzahlungsbeträge stellen grundsätzlich einen Schaden der GmbH
  • Bei der Schadensberechnung sind die Vorteile der Gesellschafter‑Geschäftsführer im Rahmen eines Gesamtvermögensvergleichs zu berücksichtigen.
  • Nicht als Vorteil anzurechnen ist jedoch der Barwert der vom Geschäftsführer erworbenen Rentenanwartschaften. Diese kommen dem Geschäftsführer persönlich zugute, nicht der Gesellschaft, und mindern daher den Schaden der GmbH nicht.

Konsequenz: Ein Regressanspruch der GmbH wird nicht dadurch reduziert, dass der Geschäftsführer künftig Rentenansprüche erwerben könnte.

 

Was bedeuten die neuen Rechtsprechungen für Ihr Unternehmen?

  • Prüfen Sie den Status Ihres Geschäftsführers

Bei Gesellschafter‑Geschäftsführern – insbesondere Minderheitsgesellschaftern – sollte frühzeitig geprüft werden, ob eine Sozialversicherungspflicht besteht. Ein Statusfeststellungsverfahren nach § 7a SGB IV schafft Ihnen Rechtssicherheit.

  • Sorgen Sie für klare Absprachen mit Ihrer Lohnbuchhaltung

Die Entscheidung über den sozialversicherungsrechtlichen Status liegt bei Ihrem Unternehmen. Lohnbuchhalter und Steuerberater müssen jedoch auf erkennbare Unklarheiten hinweisen und Lösungswege aufzeigen.

  • Sorgen Sie für eine ausreichende Dokumentation

Hinweise des Beraters und Entscheidungen des Mandanten sollten sorgfältig dokumentiert werden, um im Haftungsfall abgesichert zu sein. Wenn Sie eine statusrechtliche Einordnung vorgeben, sollte klar festgehalten sein, dass Ihr Unternehmen die Verantwortung dafür übernimmt, idealerweise schriftlich.

  • Hinweise des Beraters ernst nehmen und nachhalten

Erhalten Sie den Hinweis, die Statusfrage klären zu lassen, sollten Sie zeitnah entscheiden und handeln. Andernfalls kann Ihnen später gegebenenfalls ein Mitverschulden entgegengehalten werden.

 

 

Fazit:

Die Rechtsprechungen machen deutlich, Statusfragen im Sozialversicherungsrecht sind haftungsträchtig und wirtschaftlich erheblich. Eine klare Rollenverteilung zwischen Unternehmen und Lohnbuchhaltung sowie eine frühzeitige rechtliche Klärung sind der beste Schutz vor Nachforderungen und Regressstreitigkeiten. Die Entscheidungen zeigen, dass Fehler im Lohnbuchhaltungsmandat schnell zu erheblichen finanziellen Belastungen führen können und dass die Abgrenzung von Verantwortlichkeiten zwischen Mandant, Lohnbuchhaltung und Berater immer wichtiger wird.

Unsere Kanzlei unterstützt Sie bei der Gestaltung von Geschäftsführerverträgen, der Prüfung des sozialversicherungsrechtlichen Status sowie bei der Begleitung von Betriebsprüfungen und möglichen Haftungsfragen. Sprechen Sie uns gerne an, wenn Sie bestehende Strukturen überprüfen oder künftige Risiken vermeiden möchten.

 

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